Es ist der 13. Juni 1920. Die junge, neuapostolische Kirchengemeinde erlebt an diesem Sonntag ihren letzten Gottesdienst in der Kurfürstenstraße 91 in Bielefeld. Nach gerade einmal 18 Jahren ist das selbst erbaute Kirchengebäude für die damalige Gemeinde viel zu klein geworden.
Händeringend hatte man Monate zuvor nach einem neuen Versammlungsort Ausschau gehalten, die der wachsenden Gemeinde auf Jahre hinaus ein „neues Zuhause“ sein konnte. Oberflächlich betrachtet, war es ein Zufall, dass man ausgerechnet zu dem Zeitpunkt Bielefelds größten Tanzsaal der Gemeinde als „neuen Gottesdienstort“ zum Kauf anbot. Denn dieses Lokal hatte zu damaliger Zeit einen schlechten Ruf.
Auszug aus der Gemeindechronik
In der Chronik der Gemeinde Bielefeld heißt es hierzu wie folgt:
„In dieser Not wurde uns der größte Tanzsaal Bielefelds mit Wohnhaus angeboten. Gewiß, einen guten Ruf hatte dieses Gebäude nicht. Es wurde im Volksmund “Wirtschaft zum blutigen Knochen“ genannt. Diese Bezeichnung hatte ihren Ursprung in den vielen Schlägereien, die sich dort abgespielt haben. Doch der Kirche war raummäßig geholfen, und Behörde, Polizei und Nachbarschaft waren dankbar, daß dem früheren Zustand nun ein Ende gemacht wurde. Aus einem Tanzsaal wurde nun ein Betsaal. Er war nicht schön, doch für unsere Zwecke etwas umgebaut und entsprechend eingerichtet, reichte er erst einmal. Er lag auch an der gleichen Straße, wie unsere bisherige Kirche, Gr.-Kurfürsten-Straße57, Ecke Dorotheenstraße.“
Umbau und Renovierung
Bei genauerer Betrachtung muss der Begriff „etwas umgebaut“ revidiert werden. Denn in dem Gebäude würde eine „Holzständer-Empore“ eingebaut, die wahrscheinlich mehr als 100 Sitzplätze hatte. Ebenso wurden zwei Fenster mit Glasmalerei auf der gegenüberliegenden Seite eingebaut. Eins dieser Fenster zeigt die drei Personen, die die junge Gemeinde bis zu diesem Zeitpunkt geprägt hatten. Apostel Menkhoff als Sämann, Apostel Krebs als pflegenden Gärtner und Apostel Niehaus als denjenigen, der erntet.
Umzug in die neue Versammlungsstätte
So erfolgte an diesem Sonntag in der alten Kirche ein kurzer Abschiedsgottesdienst, danach zog die gesamte Gemeinde in das das neue Kirchenlokal um. Für die Gemeinde war es seit Gründung der Gemeinde im Jahr 1869 somit der dritte Umzug in eine neue Versammlungsstätte.
An der Spitze des Zuges marschierte der damalige Kirchenpräsident; wohnhaft in Steinhagen-Quelle, Hermann Niehaus. Ihm folgte ein Musikchor aus Köln, der extra zu diesem Ereignis angereist war, und daran folgten die Gottesdienstteilnehmer. Wie groß die Gemeinde zu Beginn der 1920-iger Jahre war, lässt sich aktuell nicht mehr genau ermitteln. Zwar gibt es auch noch das Original-Kirchenbuch im Zentral-Archiv der Neuapostolischen Kirche in Köln-Pulheim. Trotzdem wäre es sehr aufwändig, die damalige, tatsächliche Anzahl der Bielefelder Gemeindemitglieder zu ermitteln.
Die Gemeinde wächst
In der Chronik heißt es hierzu einige Seiten weiter: „Schon nach wenigen Jahren war auch das neue Kirchenlokal, in dem wir etwa 1000 Seelen unterbringen konnten, viel zu klein. Bisher hatten sich alle Geschwister zum Hauptgottesdienst sonntags morgens in der Hauptgemeinde versammelt. Nachmittags fanden sich die Geschwister aus den Vororten in kleineren, gemieteten Räumen und Stubengemeinden zusammen. Die Muttergemeinde war nun jedoch gezwungen, die selbstständig gewordenen Tochtergemeinden, für die eigene Kirchen gebaut wurden zu entlasten.“ Diese Entwicklung setzte sich nach dem zweiten Weltkrieg fort, so dass es im Erscheinungsjahr der Chronik der „Gemeinde Bielefeld“ 1982 fünfzehn selbstständige Gemeinden im Bielefelder Stadtbereich gab.
Umbauten in den Jahren 1923 und 1948
Immer wieder gab es in den Folgejahren Umbaumaßnahmen und Anpassungen an dem Gebäude, um dort den Gottesdienstbesuch weiterhin aufrecht erhalten zu können. In einer Chronik des Kirchenbezirks Bielefeld, aus dem Jahr 1968 heißt es hierzu wie folgt: „Etwa 1923 wurde im großen Saal der Gemeinde eine Fußempore errichtet, die in der Hauptsache dem inzwischen ins Leben gerufenen Musikchor (mit 32 Mitgliedern) diente. Nach dem zweiten Weltkrieg, im Jahre 1948, wurde die Sängerempore, hinter dem Altar neugestaltet. Im Zuge diese Umbaues wurde auch das Ämterzimmer, das bis dahin in einem abgeteilten Raum der heutigen großen Garderobe war, in die Räumlichkeiten über den kleinen Sall verlegt. Gleichzeitig wurde die Garderobe vergrößert, so dass im Kirchenlokal selbst keine Kleiderablage mehr nötig war.
Renovierungen im Jahre 1962
Bedingt durch Alter und Kriegseinwirkungen traten immer mehr Baufälligkeiten zutage. Vor allem das Dach und die Deckenverschalung waren sehr in Mitleidenschaft gezogen. Auf Anordnung des damaligen Stammapostels Walter Schmidt wurde im Frühjahr 1962 mit einer gründlichen Renovierung begonnen. Fußboden, Dach, Fenster, Heizung, Bestuhlung, Orgel, Ämterzimmer, alles wurde neu erstellt. Im Februar 1963 hielt der Stammapostel den ersten Gottesdienst in diesem erneuerten Gotteshaus. In der Zeit des Umbaues war die Gemeinde in der Aula der Brodhagen-Schule zu den Gottesdiensten“
Neues Kirchengebäude ab 1980
Siebzehn Jahre später, am 10. Dezember 1980, konnte die Gemeinde Bielefeld ihr neu errichtetes Kirchengebäude in der Bismarckstraße 25-27 beziehen. Doch damit endete noch lange nicht die Historie des Gebäudes in Großen-Kurfürstenstraße / Ecke Dorotheenstraße. Fortsetzung folgt.
Quellenangabe: Chronik der Gemeinde Bielefeld, Autor: Heinrich Sondermann, 1982
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