Herford. Im Rahmen des Herforder Orgelsommers fand am 19. August 2018 wieder einmal ein Orgelkonzert in der Neuapostolischen Kirche Herford, Hermannstraße 8, statt. Lesen Sie hier den Bericht von Philipp Tenta:
Enrico Zanovello aus Vincenza beeindruckt in der Neuapostolischen Kirche mit unterhaltsamer Orgelkunst
Orgelkonzerte in der neuapostolischen Kirche Herford sind ein Erlebnis der besonderen Art. Während man meist den Organisten abgehoben im Chorgestühl erlebt und die Orgelklänge die Zuhörer von hinten überrumpeln, hat man hier Instrument und Interpret vor Augen. Die elektrische Schleifladenorgel, die früher in der Dortmunder Westfalenhalle beheimatet war, steht als Blickfang im Altarraum, dem Organisten kann man beim Spielen zusehen.
Der italienische Organist und Dirigent Enrico Zanovello ist vor allem als Spezialist für Barockmusik bekannt geworden. Für sein Konzert beim Herforder Orgelsommer hatte er ein überraschend unterhaltsames Programm vorbereitet. Musik zum Zurücklehnen und Wohlfühlen, perfekt für einen ausklingenden, sonnigen Sommertag.
Das Präludium in Es-Dur von Johann Sebastian Bach war das einzige Werk dieses Abends, das von einem allen bekannten Komponisten aufgeführt wurde. Zanovello interpretierte dieses Werk mit barocker Spielfreude, leichtfüßig und tänzerisch, ohne dabei dem Notentext exzentrisch etwas Fremdes aufzwingen zu wollen.
Eine Fantasie von Bachs Schüler Johann Ludwig Krebs erklang sangbar melodiös in einer verzauberten Stimmung zwischen sinnlich und meditativ. Der Komponist und Orgelvirtuose Johann Christian Rink vereinte in seinem Werk Stilelemente aus spätbarocker Polyphonie, Klassik und früher Romantik. In seinem Flötenkonzert lässt er Erinnerungen an Pastoralmusik aufleben, Melodien, die an Volkstänze und Kinderlieder erinnern, werden zu einem beschwingten musikalischen Reigen vereint, klassische Unterhaltungsmusik vom Feinsten.
Mit Alexandre Guilmants Trauermarsch und Gesang der Seraphim nahm Zanovello Bezug auf das Thema des diesjährigen Orgelsommers, einem verblüffenden Werk des romantischen, französischen Orgelvirtuosen. Man konnte sich mittragen lassen von den Emotionen dieser Komposition, obwohl man nie sicher war, ob Guilmant hier innovativ musikalisches Neuland betrat oder musikalische Klischees bediente. Zanovello interpretierte dieses Werk mit souveräner Virtuosität und geschickten, überraschenden Registrierungen stets im Dienst der musikalischen Empfindungen.
Mit Musik des zwanzigsten Jahrhunderts verabschiedete sich Zanovello von seinem Publikum. Wer befürchtete, damit aus der Wohlfühlatmosphäre gerissen zu werden, wurde schnell beruhigt. Sowohl der Sizilianer Giuseppe Stabile als auch der Amerikaner Gordon Young waren mit Kompositionen im Neobarocken Stil vertreten. Stabiles Meditation ist stark von Bach inspiriert während Gordon Young versucht, festliche Barockklänge noch zu übertreffen.
Zanovello zeigte mit diesem Konzert nicht nur, dass Orgelmusik unterhaltsam und gefällig sein kann, es gelingt ihm dabei auch, sich nicht beim Publikum anzubiedern. Er musiziert facettenreich und detailverliebt, Virtuoses wird spielerisch vorgetragen ohne sportliche Kraftanstrengung zu simulieren. Ein ausgesprochen vergnügliches Musikerlebnis, ganz ohne aufwühlenden Tiefgang, aber trotzdem mit zahlreichen, unerwarteten Entdeckungen.