Ein Interview mit Apostel i. R. Günter Wiktor, über seine aktive Zeit als Seelsorger und wie er seinen Ruhestand und seinen Glauben in der Coronakrise lebt.
Lieber Apostel Wiktor, wie lange waren Sie insgesamt als Seelsorger und davon als Apostel im Kirchenbezirk Detmold tätig?
Ostern 1963 empfing ich mit mehreren Brüdern in Minden durch Apostel Wilhelm Knaupmeier das Unterdiakonenamt. Nach weiteren Ämtern in den folgenden Jahren empfing Bezirksevangelist Gerhard Blöß durch Stammapostel Richard Fehr, am 23. November 1996, in Aachen, das Bischofsamt und ich wurde zum Apostel ordiniert. Als ich im September 2005 mit 66 Jahren, gemeinsam mit Apostel Gunter Homburg und Apostel Klaus Dieter König, in Duisburg in den Ruhestand trat, war ich über 42 Jahre als Amtsträger tätig.
Welche Bezirke betreuten Sie als Apostel?
Bezirksapostel Horst Ehlebracht übertrug mir seinerzeit Ostwestfalen-Lippe mit den Kirchenbezirken Bielefeld, Detmold, Herford und Minden als Arbeitsgebiet und Nordwest-Rußland mit Murmansk und Karelien als Missionsgebiet.
Zusätzlich übertrug mir der Bezirksapostel, gemeinsam mit dem Bezirksältesten Dieter Kruse und dem Bezirksevangelisten Frank Zisowski, die Verantwortung für die Jugendarbeit im Bezirk Nordrhein-Westfalen. Dazu kam noch die Mitarbeit in der internationalen Projektgruppe Jugend, die einmal im Monat in Frankfurt zusammen kam.
Während Ihrer Tätigkeit als Seelsorger waren Sie somit viel unterwegs und haben viel erlebt. Welches Erlebnis war für Sie besonders prägend?
(Es gab viele schöne und persönliche Erlebnisse, wovon Apostel i. R. Wiktor zu berichten wusste)
Ein Priester aus Minden und ich hatten die Aufgabe, Missionsarbeit im Süden Portugals, an der Algarve, zu verrichten. Im Sommer kam unsere Reise nach Portugal. Wir hatten einen Gastarbeiter aus Silves der in Minden gearbeitet hatte und unsere Gottesdienste besucht hatte. Er wollte für uns in seinem Urlaub die Vorbereitungen für einen Gästegottesdienst treffen. Als wir erwartungsvoll in Silves ankamen, saß unser Freund ganz traurig vor einer Cervejaria (Gaststätte) und sagte uns, dass alle seine Bemühungen vergeblich waren. Er hatte keinen Raum bekommen und konnte somit auch niemanden einladen. Was also tun? Gemeinsam zogen wir durch die kleine Stadt, suchten hier und fragten da, aber es war wirklich alles vergebens. So fuhren der Priester und ich am Abend zurück nach Sao Bras, weil ich dort am Sonntagvormittag den Gottesdienst halten sollte.
Als wir am Sonntagmittag wieder in Silves ankamen, kam uns unser Freund freudestrahlend entgegen. Er sei am Samstag ganz traurig nach Hause gegangen und habe unterwegs eine Bekannte aus Silves getroffen, der er, auf die Frage, warum er so traurig sei, sein Problem nannte. Diese Frau sagte ihm dann: „Warst du schon in der Filarmonica Silvense? Die haben einen großen Saal. Frag doch da einmal nach.“ Er bekam diesen Raum. Gemeinsam konnten wir nachmittags Gäste einladen und schließlich vor über 40 Gästen unsere Kirche und unseren neuapostolischen Glauben vorstellen. Über Monate wurden dort Gottesdienste gehalten, bis der damalige Bezirksapostel eine Kirche direkt an der Algarve, in Portimao, bauen ließ. Damit wurde auch den Urlaubern die Möglichkeit geboten, die Gottesdienste direkt an der Algarve in unserer neuen Kirche zu besuchen.
Was war damals bzw. ist für Sie heute hilfreich in Zeiten von Glaubenskrisen?
Ich bin von Kindheit an neuapostolisch und habe wirklich viel Schönes, aber auch schwere Zeiten erlebt. Der liebe Gott hat mich aber nie verlassen und meine Seelsorger haben mir immer beigestanden.
Das Wort Ruhestand drückt die Begriffe "Ruhe" und "Stand" aus. Wann traten Sie in den Ruhestand?
Als Amtsträger geht man im Normalfall mit Erreichen des 65. Lebensjahres in den Ruhestand. Als der damalige Bezirksapostel Wilhelm Leber uns drei Aposteln den Termin unserer Ruhesetzung bekannt gab, sagte ich ihm, dass ich dann aber bereits 66 ½ Jahre alt sei und damit die Altersgrenze weit überschritten hätte. Aber er antwortete mir: „Nimm das mal so hin, das ist schon in Ordnung.“
Wie war das damals für Sie und welche Gefühle hatten Sie dabei?
Ich habe gerne dem Herrn gedient. Schon als Kind spielte ich im Kindergottesdienst das Harmonium. Als ich das Priesteramt empfing, fiel es mir sehr schwer, die Leitung des Chores nach 17 Jahren abzugeben. Als ich nach über 42 Jahren als Amtsträger in den Ruhestand trat, war ich dankbar, dass der liebe Gott mir solange beigestanden hat. Nach der Ruhesetzung hatte ich mich schnell daran gewöhnt in der Bank zu sitzen und das Wort vom Altar aufzunehmen.
Wie verbringen Sie heute Ihren Ruhestand?
Ganz normal, so, wie es sich für einen alten Mann gehört. Wir haben einen Garten, den ich einigermaßen gut pflege. Als Senior singe ich (zu normalen Zeiten) mit meiner Frau im Bezirks-Senioren-Chor. Wir verreisen gerne und hoffen, dass das Reisen bald wieder problemlos möglich ist.
Herausragendes Thema ist aktuell die Corona-Pandemie. Präsenzgottesdienste wurden zunächst abgesagt, schließlich wurden Videogottesdienste, allerdings ohne Abendmahl, angeboten. Jetzt sind Präsenzgottesdienste, gezeichnet von besonderen Hygienemaßnahmen, wieder möglich - Sie haben diese Vorgänge miterlebt. Was ging da in Ihnen vor?
Ich fand das sehr beeindruckend, wie unser Stammapostel und die Bezirksapostel die Möglichkeit geschaffen haben, die Gläubigen durch Videogottesdienste an jedem Sonntag zu versorgen. Wir haben das bei uns zu Hause zu viert (meine Schwägerin, mein Schwager, meine Frau und ich) erlebt. Und doch fehlte uns etwas: Von den ersten Christen ist gesagt, dass sie beständig blieben in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brotbrechen und im Gebet. Bei den Videogottesdiensten fehlten uns einfach die Gemeinschaft und die Feier des Heiligen Abendmahls. Jetzt gehen wir wieder sonntags und am Mittwoch in Minden in den Gottesdienst - mit Mundschutz und Abstand - wie es notwendig ist.
Wie gehen Sie ganz persönlich mit der aktuellen Coronakrise um?
Wir bemühen uns vorsichtig und rücksichtsvoll zu sein, die gegebenen Anweisungen und Ratschläge zu befolgen und, da wir einen schönen Garten haben, viel an der frischen Luft zu sein. Unser Enkel ruft uns fast jeden Abend an, erkundigt sich nach unserem Befinden und diskutiert mit uns die allgemeine Lage. Kommen wir zusammen, ermahnt er uns: „Oma, Opa, Abstand“. Er hat wirklich Sorge, dass seine Großeltern sich infizieren könnten.
Ein kleiner Gruß / Was wünschen Sie den Kirchenbezirk Detmold für die Zukunft?
Als ich das Apostelamt empfing und der Bezirksapostel mir sagte, dass ich auch für den Bezirk Detmold tätig sein solle, da habe ich mich gefreut, denn der Bezirk lag und liegt mir ganz besonders am Herzen. Ich habe in meiner Amtstätigkeit viel Schönes und Segensreiches erlebt. Wie gerne denke ich an diese schöne Zeit in einem so liebevollen Bezirk zurück. Unter den vielen Ereignissen muss ich einfach die großen Jugend-Open-Air-Gottesdienste in Bad Pyrmont, die Kindergottesdienste in Pivitsheide und den Gottesdienst mit Stammapostel Wilhelm Leber in der Paderhalle in Paderborn erwähnen. Der damalige Bischof, die Bezirksämter und Vorsteher haben mir die Arbeit sehr leicht gemacht. Ich danke allen Brüdern und Schwester.
Ich wünsche dem Bezirk Detmold, den ich ganz herzlich grüße, dass wir gemeinsam das Ziel unseres herrlichen Glaubens erreichen.
Ich danke Ihnen sehr für Ihre freundliche Unterstützung und Beantwortung meiner Fragen zu diesem Interview!
Interview im November 2020
Zur Person
Günter Wiktor wurde am 10. Mai 1939 in Bünde geboren. Mit gerade 6 Jahren verlor er seinen Vater. Da auch seine Mutter schwer erkrankt war, lebte er bei seinen Großeltern. 3 Jahre nach dem Tod seines Vaters verstarben sowohl seine Mutter als auch seine Großmutter, weshalb er schließlich bei seinem Großvater aufwuchs. So besuchte er in jungen Jahren die Gottesdienste in der neuapostolischen Gemeinde in Minden-Dützen, die später Minden-West genannt wurde. Er absolvierte eine Ausbildung zum Industriekaufmann. Sein beruflicher Werdegang nahm seinen Lauf bis hin zum Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens.
Auch im Apostelamt übte Günter Wiktor seine Tätigkeit als Seelsorger ehrenamtlich aus.
Apostel i. R. Günter Wiktor ist verheiratet. Er hat zwei Söhne und ein Enkelkind.
Apostel i. R. Günter Wiktor - Dezember 2020
4. Januar 2021
Text:
Bianca Krueger
Fotos:
Christian Knoll, Frank Schuldt
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