Ein Interview mit Stammapostel i. R. Wilhelm Leber über seine aktive Zeit als Seelsorger und wie er seinen Ruhestand und seinen Glauben in der Coronakrise lebt.
Lieber Stammapostel Leber, am 15. Mai 2005 (Pfingsten) wurden Sie in Fellbach zum Stammapostel ordiniert und leiteten die Neuapostolische Kirche 8 Jahre lang. Was ging damals in Ihnen vor, als Sie erfuhren, dass Sie Stammapostel werden sollen?
Als Stammapostel Fehr mir wenige Wochen vor dem Pfingstfest 2005 eröffnete, dass ich sein Nachfolger werden sollte, war das ein ziemlich heftiger Schlag für mich. Mir war klar, dass dieses Amt mein Leben völlig umkrempeln würde. Wie würde meine Frau damit zurechtkommen, wie meine Kinder? Diese Fragen haben mich verfolgt. Ruhe habe ich erst gefunden, als die Ordination vollzogen war.
Wie lange waren Sie insgesamt als Seelsorger tätig?
Ich habe über 43 Jahre ein Amt bekleidet; davon 22 Jahre in besonderer Verantwortung als Apostel, Bezirksapostel und Stammapostel.
Während Ihrer Tätigkeit als Seelsorger waren Sie viel unterwegs und haben viel erlebt. Welches Erlebnis war für Sie besonders prägend?
Es war mir eine besondere Freude, wenn fernstehende Glaubensgeschwister durch intensive Seelsorge, begleitet von viel Gebet, wieder in die Gemeinschaft zurückgefunden haben. Diese Erfahrung habe ich als junger Priester machen können.
In meiner Zeit als Stammapostel war die Begeisterung der besuchten Gemeinden in Südamerika und in Südafrika ein besonderes Highlight. Mir steht ein Gottesdienst in einer Halle in Südamerika vor Augen. Ich hatte zu Beginn des Gottesdienstes Mühe, zum Altar zu gelangen, die Geschwister versperrten mir in ihrer Begeisterung den Weg. Grandios!
Hierzulande ist der Europäische Jugendtag (EJT) 2009 zu nennen. Die Freude und Begeisterung der Jugend begleiten mich bis heute. Von diesem Großereignis sind viele schöne Impulse ausgegangen.
Was war damals bzw. ist für Sie heute hilfreich in schwierigen Zeiten/Glaubenskrisen?
Ich sehe in schwierigen Situationen, die den Glauben antasten, folgende Möglichkeiten, um Sicherheit und Frieden wiederzuerlangen:
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Ich erinnere mich daran, wie Gott mir bei Problemen in der Vergangenheit geholfen hat
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Ich besinne mich auf die Kraft des Gebetes und bete umso intensiver
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Ich bitte um besondere Wegweisung im Gottesdienst und nehme aus dem Wort Gottes Zuversicht, Stärkung und Trost
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Ich suche das Gespräch mit einem Amtsträger meines Vertrauens
Ganz wichtig ist nach meiner Erfahrung: Nicht aufgeben! Es gibt dieses einfache, aber letztlich doch zutreffende Wort: Hilft Er nicht zu jeder Frist, hilft Er doch, wenn’s nötig ist!
Am 19. Mai 2013 wurden Sie in den Ruhestand versetzt. Wie war das damals für Sie und welche Gefühle hatten Sie dabei?
Natürlich waren die Gefühle gemischt. Von 100% zurückzufahren auf nahezu 0% - das ist ein Einschnitt. Aber es gab auch neue Herausforderungen, insbesondere das Kennenlernen der eigenen Gemeinde. Ich habe mich recht bald eingebracht im Chor und beim Orgelspiel. Und sehr bedeutsam: Ich habe nun Zeit gehabt für die eigene Familie – und das hat mir viel Freude gemacht.
Das Wort Ruhestand drückt die Begriffe "Ruhe" und "Stand" aus. Wie verbringen Sie heute Ihren Ruhestand?
Meine Frau und ich planen den Tagesablauf gemeinsam. Der Tag beginnt mit einem gemütlichen Frühstück. Viel Zeit verbringe ich mit meinem Hobby, dem Klavier- und Orgelspiel. Auch im kirchlichen Rahmen gibt es zu tun, so habe ich z. B. ein Buch über Versöhnung geschrieben, das im Bischoff-Verlag veröffentlicht wurde. Häufig treffen wir uns im Familienkreis mit unseren Kindern. Gern betreuen wir unsere Enkelkinder, die 7 und 4 Jahre alt sind. Wegen der Corona-Pandemie ist das zurzeit allerdings nur eingeschränkt möglich. Wir gehen oft spazieren, es gibt in unserer Umgebung ausgedehnte Heidelandschaften, das ist sehr einladend. Wir haben in der Vergangenheit auch ausgiebig Urlaub gemacht, vornehmlich in Österreich oder an der Ostsee.
Insgesamt kann ich durchaus sagen, dass ich den Ruhestand genieße.
Herausragendes Thema ist aktuell die Corona-Pandemie. Präsenzgottesdienste wurden zunächst abgesagt, schließlich wurden Videogottesdienste, allerdings ohne Abendmahl, angeboten. Jetzt sind Präsenzgottesdienste, gezeichnet von besonderen Hygienemaßnahmen, wieder möglich - Sie haben diese Vorgänge miterlebt. Was ging da in Ihnen vor?
Die Videogottesdienste haben uns zunächst viel gegeben. Allerdings habe ich an mir selbst festgestellt, dass das Gottesdiensterleben im Laufe der Zeit oberflächlicher wird. Man „konsumiert“ den Gottesdienst, trinkt nebenbei eine Tasse Kaffee und ist hinterher sofort wieder mit anderen Dingen beschäftigt. Es mangelt an nachhaltigem Erleben. Die Präsenzgottesdienste prägen eher den Sonntag – bei allen Einschränkungen, die es gegenwärtig gibt.
Die Präsenzgottesdienste ermöglichen Gemeinschaft – wenn auch nicht in dem Umfang, wie wir es früher gewohnt waren. Wie gut, dass wir jetzt wieder Heiliges Abendmahl feiern können! Natürlich vermissen wir das gemeinsame Singen und den Chorgesang im Gottesdienst sowie die persönlichen Gespräche hinterher. Ich kann aber sagen, dass die örtlichen Amtsträger, allen voran unser Vorsteher, sehr bemüht sind, die Verbindung in der Gemeinde zu pflegen. Meine Frau und ich versuchen, die Brüder dabei zu unterstützen. Wir rufen häufig bei Bekannten und Freunden aus der Gemeinde oder dem Bezirk an.
Zusammengefasst kann ich sagen, dass wir miteinander versuchen, das Bestmögliche aus der gegenwärtigen Situation zu machen.
Wie gehen Sie ganz persönlich mit der aktuellen Coronakrise um?
Ich sehe die Gefahr, dass der Zusammenhalt der Gemeinde leidet. Es ist mir daher ein Anliegen, die Verbindung zu den Geschwistern in der Gemeinde zu pflegen. Wie gesagt, ist das vor allem durch Telefongespräche möglich. Die örtlichen Amtsträger versorgen uns auch per E-Mail mit wichtigen Informationen. Insgesamt gesehen leide ich keinen Mangel. Aber wie viele andere Geschwister hoffe auch ich, dass in absehbarer Zeit wieder ein Gemeindeleben wie vor der Pandemie möglich wird.
Gibt es etwas, worüber Sie sprechen möchten?
Es ist zu beobachten, dass insbesondere junge Geschwister (Jugendliche und Kinder) zurzeit den Präsenzgottesdiensten fernbleiben. Wir sollten alle dazu beitragen, dass diese den Anschluss nicht verlieren. Jedes Gespräch mit ihnen ist hilfreich. Wir wollen sie nicht allein lassen und sie ernst nehmen in ihren Ansichten und Überlegungen. Gut ist es, wenn sie innerhalb der Gemeinde oder im Bezirk ein Betätigungsfeld finden.
Was wünschen Sie dem Kirchenbezirk Detmold für die Zukunft?
Ich wünsche dem Kirchenbezirk Detmold eine gesegnete Zukunft. Die Gemeinden mögen aus der gegenwärtig schwierigen Zeit gestärkt hervorgehen. Wir wollen miteinander verbunden das von Stammapostel Schneider für dieses Jahr gegebene Motto sichtbar werden lassen: Christus – unsere Zukunft!
Ich danke Ihnen sehr für Ihre freundliche Unterstützung und Beantwortung meiner Fragen zu diesem Interview!
Interview im Januar 2021
Zur Person
Stammapostel i. R. Wilhelm Leber wurde am 20. Juli 1947 in Herford geboren. Er studierte Mathematik und promovierte 1975 zum Doktor der Naturwissenschaften. Seit 1991 arbeitete er ausschließlich für die Neuapostolische Kirche. Wilhelm Leber war der achte Stammapostel der Neuapostolischen Kirche. Heute lebt Stammapostel i. R. Wilhelm Leber in Buchholz in der Nordheide. Er ist verheiratet und hat 2 Kinder und 2 Enkelkinder.
17. Oktober 2017 - Gesprächsabend mit Stammapostel i. R. Leber in Minden
18. Januar 2021
Text:
Bianca Krueger
Fotos:
Frank Schuldt, Ralph Seeger, Oliver Rütten, Björn Renz,
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